Die neuronale Stressantwort – und was wir dagegen tun können

Unser Zentrales Nervensystem (ZNS) und unser Peripheres Nervensystem (PNS) arbeiten eng zusammen. Dabei gibt es schnelle, elektrochemische Wege der Informationsweiterleitung (zum Beispiel über Neuronen) und langsame, biochemische Wege der Informationsweiterleitung (zum Beispiel über Hormone in der Blutbahn). Wenn wir nun einen Stressor erleben, passieren in unserem Körper viele Dinge gleichzeitig:

1. Unser Gehirn bewertet den Stressor (Stressig? …oder geht der noch?)

2. Unser Verstand sucht Lösungsmöglichkeiten (Haben wir effektive Bewältigungsstrategien verfügbar? Oder nicht?)

3. Unser Körper reagiert mit der Bildung von Stresshormonen, die uns (das haben wir aus unserer evolutionären Geschichte mitgebracht) darauf vorbereiten, entweder zu kämpfen, oder zu fliehen. Ja, genau das ist das so genannte “fight-or-flight”-Prinzip.

Hier wird der Sympathikus aktiviert – das führt unter Anderem dazu, dass unsere Extremitäten mit schnell in Energie umsetzbaren Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden, die Verdauung eingestellt wird, unsere Pupillen sich weiten, die Blase sich spontan entleert (dies ist besonders bei Angst der Fall), der Puls steigt und Stresshormone ausgeschüttet werden: Adrenalin erhöht die Wachheit.

Da viele alltägliche Stressoren unseres heutigen Lebens weder durch Kampf noch durch Flucht “angemessen” gelöst werden können, bringt uns der Sympathikus nicht selten in eine missliche Lage – schlimmer jedoch, als im Moment überschüssige Energie zu haben, die wir im Großraumbüro weder herauslaufen, noch im Kampf anwenden können, ist allerdings der Moment, an dem wir die physiologische Stressreaktion nicht als solche erkennen und den Adrenalinschub regelrecht ausnutzen.

Ausnutzen, um uns selbst an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit und nicht selten darüber hinaus zu katapultieren. Manche Menschen sind in der heutigen Zeit regelrechte Adrenalin-Junkies (“Ich brauch den Stress – mit Abgabedatum arbeite ich viel effizienter…”). Und hier lauert eine Gefahr, die schon Hans Selye (bekannt als der “Vater des Stress” in der Psychologie) mit dem “Allgemeinen Adaptationssyndrom” beschrieben hat und wir heute unter dem Begriff des “Burn-Out” kennen.

Ist der Organismus nämlich dauerhaft der Wirkung von Stresshormonen ausgesetzt, befindet sich dadurch in einer andauernden Phase der erhöhten Wachheit (Vigilanz) und bekommt gleichzeitig keine (ausreichende) Möglichkeit zur Regeneration, so endet dieser Zustand erst mit der völligen Erschöpfung.

Während Adrenalin und Noradrenalin kuzrfristig das Immunsystem regelrecht “boosten” können, wirken Stresshormone, die bei langfristigem Stress ausgeschüttet werden (Cortisol) nicht selten immunsuppressiv. Bist Du schon einmal nach einer besonders langen Phase anhaltenden Stresses krank geworden?

Der Gegenpart des Sympathikus ist der Parasympathikus. Das parasympathische System setzt dem “fight-or-flight”-Prinzip das “Rest-and-Digest” (Ruh Dich aus und Verdaue in Ruhe)-Prinzip entgegen. Der Parasympathikus leitet die Energie in die Verdauungsorgane – nach einem guten Essen sind wir zunächst müde und nicht besonders mental agil. Der Körper entspannt, nimmt Nährstoffe auf, bildet neue Reserven und auch unser Verstand kann sich jetzt -in Ruhe- mit dem Erlebten auseinandersetzen und Erfahrungen bewusst reflektieren.

Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion setzt genau hier an. Anstatt uns auf den Stress zu konzentrieren lenken Übungen zur Achtsamkeit unseren Fokus nach innen. Dies wirkt der Stressantwort des Sympathikus entgegen und unterstützt die parasympathische Regeneration.

Achtsamkeit beschreibt den Zustand, in dem wir voll und ganz im Moment sind. Wenn Du ein Hobby hast, kennst Du diesen Zustand bestimmt als „Flow-Erleben“. Wir sind so sehr bei der Sache, dass die Welt an uns vorbeizieht. In diesem Moment sind wir frei von Sorgen – ganz im Augenblick – können sogar Schmerzen vergessen.

Alle Übungen zur Achtsamkeit basieren auf den sieben Grundhaltungen der Achtsamkeit – dazu mehr beim nächsten Mal. Erstmal kommt hier jetzt eine Übung für Dich. Vielleicht möchtest Du sie in Deinen Alltag integrieren?

Beachte bei jeder Übung: Jede Veränderung braucht Zeit

Inneres Lächeln

Setze Dich bequem hin und dann schließe Deine Augen.

Atme bewusst ein (-1 – 2-) und wieder aus (-1 – 2 – 3 – 4-).

Lasse Deine Gedanken ein paar Momente lang einfach ziehen.

Alles darf da sein.

Spüre die Stellen, an denen Dein Körper den Boden (oder den Stuhl?) berührt.

Bist du ganz im Moment?

Denke jetzt an einen Moment, in dem Du so richtig glücklich und zufrieden warst. Alternativ denke an das Bild eines lachenden Kindes, das gerade das erste Eis des Sommers in den Händen hält.

Spürst Du ein warmes, wohliges Gefühl in Dir?
.
Gib diesem Gefühl Raum, bis es Dich ganz durchflutet.

Vielleicht wandert das Gefühl auch nach außen und lässt Dich jetzt sogar mimisch Lächeln.

Wie fühlst Du Dich jetzt? Was täte Dir jetzt gut?

Teil Deine Erfahrungen gerne unter dem #dastutmirgut und verlink mich @psychotrainment .

Das komplette Einzelcoaching Das tut mir gut und auch der Intensiv-Workshop in Kleingruppen Programm Stress Bewältigen – Stärke Finden enthält neben Fachwissen und angeleiteter Reflexion viele unterschiedliche Übungen, mit denen wir Achtsamkeit in jedem Moment trainieren können. Der Workshop Mutterschaft in Balance richtet sich konkret an Mütter und beinhaltet außerdem Informationen über kindliche Entwicklung und Bindungsentwicklung.

Herzlichst

Annika Rötters

zum Nachlesen:

Academic Mindfulness Interest Group, M., & Academic Mindfulness Interest Group, M. (2006). Mindfulness-based psychotherapies: a review of conceptual foundations, empirical evidence and practical considerations. Australian and New Zealand Journal of Psychiatry, 40(4), 285-294.

Eberth, J., & Sedlmeier, P. (2012). The effects of mindfulness meditation: a meta-analysis. Mindfulness, 3(3), 174-189.

Schandry, R. (2016). Biologische Psychologie. Weinheim: Beltz.

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