…über die Schwierigkeit der Untersuchbarkeit achtsamkeitsbasierter Interventionen, nachweisbare Wirkpfade im Gehirn und einen kleinen Zukunftsausblick in die Achtsamkeitsintervention als wirksame Prävention in der Gesundheitsvorsorge.
In einer Vielzahl von Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Achtsamkeit und Meditation mit psychischer Gesundheit in Verbindung stehen (siehe etwa Keng, Smoski & Robins, 2011).
Jetzt ist das mit den Zusammenhängen und deren gerichteter Interpretierbarkeit allerdings schwierig: Nur, weil Menschen, die Achtsamkeit und/oder Meditation praktizieren tendenziell seltener an psychischen Erkrankungen erkranken, bedeutet das nicht unbedingt, dass Achtsamkeit und Meditation dies effektiv verhindern.
Genauso gut wäre etwa denkbar, dass Achtsamkeitstrainings und Meditations-Übungen mehrheitlich resiliente Menschen – also Menschen, die eine große psychische Widerstandskraft haben – ansprechen.
Insgesamt weisen jedoch auch längsschnittlich angelegte Untersuchungen auf nachweisbare Effekte achtsamkeitsbasierter Interventionen in der Stressprävention hin (s. Keng et al., 2011).
Viele Achtsamkeits-Praktizierende berichten von positiven Auswirkungen der Meditation, die sie im Alltag erleben, wie z.B. einer verbesserten Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit oder einem besseren Gedächtnis. Gleichzeitig zeigen sich in verschiedenen Studien auch körperliche Veränderungen, wie der Abbau von Stresshormonen oder die Regulation von Neuromodulatoren körperlicher Entspannung (Lazar, 2012). Die Untersuchung der neuronalen Prozesse, die mit Achtsamkeit und Meditation in Verbindung stehen, steckt jedoch (bestenfalls) noch in den Kinderschuhen – irgendwie logisch, lässt sich dieses Konzept ja rein wirtschaftlich betrachtet nicht halb so gut verkaufen, wie Programme oder Substanzen, deren Einnahme/Teilnahme dauerhaft notwendig ist, um die Gesundheit aufrecht zu erhalten.
Erkenntnisse der Neuropsychologie (und Neurobiologie) weisen daraf hin, dass dauerhafte Veränderungen im Verhalten unsere Gehirnstruktur verändern (Schandry 2007, Draganski et al. 2004). Die neuronale Plastizität sorgt beispielsweise dafür, dass sich auch Gehirne von Zwillingen in ihrer Oberflächenstruktur unterscheiden – diese wird nämlich erfahrungsbasiert aufgebaut. Unser Körper speichert außerdem „beliebte“ Wege ab – was zu spannenden Effekten führt:
Wenn ehemalige Leistungssportler -sagen wir, Fußballer- noch Jahre nach ihrer aktiven Zeit ein Fußballspiel schauen, werden im Gehirn des ehemalien Leistungssportlers ähnliche Prozesse in Gang gesetzt, wie im aktiven Training. Wege, die wir kognitiv oft gehen, prägen sich ein (Green & Bavelier 2003). Natürlich spielt die Übung hier eine zentrale Rolle (Ericsson et al. 1993). Man könnte also sagen: Fußball gucken ist auch (wie) Sport (wenn wir mal aktiv Fußball als Leistungssport betrieben haben) (Yarrow et al 2009).
Eine achtsame Lebensführung führt zu bestimmten Erfahrungen. Das wiederholte Erleben dieser Erfahrungen wirkt sich neuroplastisch auf unser Gehirn aus und in der Meditation aktivierte Hirnregionen werden trainiert und gestärkt (Ott, 2012). Dieser Vorgang ist übrigens tendenziell gemeint, wenn in Literatur oder Übungen vom „Achtsamkeitsmuskel“ die Rede ist. Durch regelmäßiges Üben der Aufmerksamkeitsfokussierung werden die entsprechenden neuronalen Verbindungen gestärkt – was wiederum das Erreichen eines entspannte(re)n Allgemeinzustandes in Zukunft erleichtert (Siegel, 2007). Es ist also ein bisschen wie beim Sport – regelmäßiges Üben stärkt auch den (metaphorischen) “Achtsamkeitsmuskel”.
Fun Fact: Als durch Achtsamkeitstraining aktivierte und veränderte Hirnregionen gelten besonders die Amygdala, die paralimbischen Regionen und die graue Substanz (grey matter) (Lazar, 2012). Draganski und Kollegen konnten 2004 zeigen, dass (regelmäßiges) Training genau diese graue Substanz nachhaltig beeinflussen kann. Nach Ott (2012) ist der Mensch durch die Meditation in der Lage zu entspannen und das Stressniveau herabzusetzen, wodurch Erholung und das Zellwachstum in diesen, für einen gesunden Hirn-Metabolismus wichtigen, Strukturen angeregt wird.
Es kommt also zu Veränderungen in Regionen des Gehirns, die unter anderem auch in Zusammenhang mit Prozessen wie der Steuerung von u.a. Emotionen, Empathie oder auch Informationsverarbeitung gebracht werden (Schandry, 2007). Diese Umstände könnten darauf hinweisen, dass Meditation zumindest das Potenzial besitzt z.B. die schädlichen Auswirkungen von Stress auf das Gehirn zu mindern, was wiederum Auswirkungen auf damit verbundene psychische Störungen haben kann (Lazar, 2012).
Verschiedenen Studien zeigten bereits, dass Meditationstechniken akuten Schmerz in seiner Intensität und Aversität senken können (Zeidan et al., 2001; Schmidt, 2012). Durch kontinuierliches Training zeigen sich hier bereits nach kurzer Zeit große Effekte. Die Probanden gaben an, durch die Lenkung des Aufmerksamkeitsfokus eine gewisse Distanz zu dem Schmerz geschaffen zu haben. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch für chronische Schmerzen. Die Daten von Zeidan und Kollegen (2011) deuten darauf hin, dass Meditation mehrere Gehirnmechanismen aktiviert, die die Konstruktion der subjektiv verfügbaren Schmerzerfahrung aus afferenten Informationen verändern, also unser Schmerzerleben grundsätzlich verändern. Ott (2012) gibt einen Ausblick auf die Zukunft von Achtsamkeit in der Forschung und Medizin, indem er die Möglichkeit von maßgeschneiderten Meditationsprogrammen für bestimme psychische Erkrankungen sieht. Dabei sei der Nutzen der Meditation nicht nur auf die Behandlung beschränkt, sondern könne auch Teil von Präventionsmaßnahmen sein.
Im Bereich der Resilienzförderung ist Achtsamkeit inzwischen eine nicht mehr wegzudenkende Grundlage – dabei handelt es sich bei der Achtsamkeit nicht primär um „Atemtechniken“, sondern der Erwerb von persönlichen Werkzeugen, uns in jeder Situation auf das „Hier und Jetzt“ besinnen zu können. Dieser Prozess kann (und darf!) personenabhängig auch höchst aktiv sein.
Neben der Forschung im Bereich der Neurowissenschaften rückt Achtsamkeit auch immer mehr ins Feld der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Es gibt immer mehr Arbeiten zu Themen wie achtsamer Führung oder auch achtsame Erziehung und Bildung. Achtsamkeit entwickelt sich immer mehr zu einem wichtigen interdisziplinären Instrument, dessen Möglichkeiten noch nicht ganz erforscht sind (Shapiro et al, 2006; Siegel, 2007).
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Herzlichst
Annika Rötters
QUELLEN
Draganski, B. et al. (2004). Neuroplasticity: changes in grey matter induced by training. Nature 427, 311–312).
Ericsson, K. A., Krampe, R. T. & Tesch-Romer, C. (1993). The role of deliberate practice in the acquisition of expert performance. Psychol. Rev. 100, 363–406.
Green, C. S. & Bavelier, D. (2003).Action video game modifies visual selective attention. Nature 423, 534–537.
Keng, S. L., Smoski, M. J. & Robins, C. J. (2011). Effects of mindfulness on psychological health. A review of empirical studies. Clinical Psychology Review, 31, 1041-1056.
Lazar, S. (2012). Die neurowissenschaftliche Erforschung der Meditation. In M. Zimmermann, C. Spitz & S. Schmitz (Hrsg.). Achtsamkeit. Ein buddhistisches Konzept erobert die Wissenschaft (S. 71-81). Bern: Hans Huber Verlag.
Ott, U. (2012). Atmen, Fühlen, Gleichmut und das Gehirn. In M. Zimmermann, C. Spitz & S. Schmitz (Hrsg.). Achtsamkeit. Ein buddhistisches Konzept erobert die Wissenschaft (S. 83-89). Bern: Hans Huber Verlag.
Schandry, R. (2007). Biologische Psychologie.
Schmidt, S. (2012). Achtsamkeit bei Schmerzen. In M. Zimmermann, C. Spitz & S. Schmitz (Hrsg.). Achtsamkeit. Ein buddhistisches Konzept erobert die Wissenschaft (S. 115-134). Bern: Hans Huber Verlag.
Shapiro, S. L., Carlson, L. E., Astin, J. A., & Freedman, B. (2006). Mechanisms of mindfulness. Journal of clinical psychology, 62(3), 373-386.
Siegel, D. J. (2007). Das achtsame Gehirn. Freiburg im Breisgau: Arbor Verlag.
Yarrow, K., Brown, P., & Krakauer, J. W. (2009). Inside the brain of an elite athlete: the neural processes that support high achievement in sports. Nature Reviews Neuroscience, 10(8), 585.